16.11.2021 | Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen

Chefallergologin Dr. Uta Rabe ging nach 43 Jahren in den Ruhestand

600 Abschiedsbriefe an zuweisende Ärzte in Brandenburg, Berlin und ganz Ostdeutschland sind geschrieben: Damit verabschiedet sich die Chefärztin der Klinik für für Allergologie und Asthma, Dr. Uta Rabe, in den Ruhestand.

Abschiedsinterview mit Dr. Uta Rabe

600 Abschiedsbriefe an zuweisende Ärzte, wie HNO-Mediziner, Pneumologen,  Kinderärzte, Hautärzte, Internisten und Allgemeinmediziner in Brandenburg, Berlin und ganz Ostdeutschland sind geschrieben: Damit verabschiedet sich die Chefärztin der Klinik für Allergologie und Asthma, Dr. Uta Rabe, nach 43 Jahren und 2 Monaten Dienst zum 1. November in den Ruhestand.

Ihr Dienst begann am 01.09.1978 in der Lungenfachklinik Beelitz-Heilstätten als junge Ärztin. 1981 folgte die Promotion zum Thema „Die diagnostischen Parameter der verschiedenen Formen allergischer Alveolitiden“ an der Berliner Charité. Kurz danach ging sie für zwei Jahre nach Potsdam zur Ausbildung als Fachärztin für Innere Medizin, blieb in der Zeit aber bei den Beelitzer Heilstätten angestellt.

Auch als die Klinik zum 1. Oktober 1998 an das Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen verlagert wurde, blieb Dr. Rabe ihrer Klinik treu und zog mit – damals bereits als Chefärztin über 24 allergologische Betten und eine Ambulanz mit 1.500 Patientinnen und Patienten.

„Allergologe zu sein heißt kriminalistische Kleinstarbeit zu leisten“, sagt sie schmunzelnd, und: „Das ist mein Hobby und nebenbei mein Gelderwerb“.

Dass die Allergologie ihr Fachgebiet werden soll, entschied sich früh. Die Facharztprüfung für Innere Medizin, Teilgebiet Lungen-und Bronchialheilkunde, legte sie 1983 ab, ebenso erwarb sie die Zusatzbezeichnungen Allergologie und Umweltmedizin.

In der Focus-Ärzteliste wurde Dr. Rabe bereits viermal, zuletzt 2021, als Top-Medizinerin für Nahrungsmittelunverträglichkeiten geführt.

Wie  hat sich die Allergologie als Fachgebiet entwickelt?

„Die Allergologie hat sich zu einem interdisziplinären Fach entwickelt. Man weiß heute, dass Allergien als „Erkrankung des gesamten Körpers“ betrachtet werden müssen. Am Beginn meiner Berufslaufbahn haben wir die Allergologie in Bezug auf Pneumologie betrieben in der Beelitzer Lungenklinik. Über die Jahre und mit wachsender Berufserfahrung habe ich es als Problem des gesamten Körpers erkannt.

Patienten kommen mit HNO-Beschwerden, Neurodermitis, Urticaria, Allergien, Pseudoallergien, Magen-Darm-Beschwerden oder anaphylaktische Reaktionen. Dazu kommt, dass Allergiker immer eine somatische Komponente haben, die z.B. die Mastzelle aktiviert, und dazu eine psychische Komponente, die die Mastzelle zusätzlich aktivieren kann. Es gibt kaum einen Allergiker ohne psychische Teilkomponente.

Wir setzen uns sehr intensiv mit den Patienten als Persönlichkeit in komplexen Lebensumständen auseinander. Das ist nötig, um die Beschwerden richtig einzuschätzen und sowohl den somatischen als auch den psychosomatischen Anteil zu erkennen und zu verstehen.

Was hat einen Arbeitstag in der Klinik erfolgreich und zufrieden gemacht?

„Wenn Patienten sagen: endlich versteht mich einer. Ich wurde über 10 Jahre in die psychische Schiene geschickt. Oder wenn der kriminalistische Spürsinn eine versteckte Allergie entdeckt, die den Patienten jahrelang plagte und ihm deswegen eine lange diagnostische und therapeutische Odyssee bescherte, die nicht weiterhalf. Das bedeutet viele zufriedene und dankbare Patientinnen und Patienten, manche bleiben seit Jahrzehnten treu.“

Ihre Allergologie ist sehr erfolgreich und Sie persönlich sind als Kapazität in Deutschland sehr anerkannt. Was hat Sie dazu gemacht?

„Mit dem interdisziplinären Behandlungsansatz sind wir im Land Brandenburg die einzigen, in Deutschland sind wir eine Rarität.

Unsere Fachklinik bietet viele hochspezielle Untersuchungsverfahren, die wir oft als erste und oftmals als einzige Klinik weit und breit durchführen. Ich denke hier an den Superrush (Boosterung nach 1-1,5 Jahren nach dem Ende einer Insektengift-Hyposensibilisierung.

Oder an das Labor Thorausch, das verschiedene spezielle Test-Verfahren angeschafft bzw. erweitert hat, die für die Besonderheit unserer Allergologie von Bedeutung sind, wie z.B. den basophilen Aktivierungstest, die Histaminbestimmung im Sammelurin oder eine breite Anzahl von rekombinanten Allergenen.

Vernetzung in der Fachwelt ist natürlich mindestens ebenso wichtig. Ich zeige viel  persönliche Präsenz auf Fachkongressen, sowohl im Haus als auch vor allem extern, halte ca. 20-25 Vorträge pro Jahr, habe sehr viele Fachbeiträge publiziert und hatte u.a. Posterveröffentlichungen in Barcelona, Warschau und Wiesbaden.

Viele Jahre war ich Verbandsvorsitzende des Allergologenverbandes Brandenburgs, den ich damals noch in Beelitz gegründet habe.

Noch heute bin ich Mitglied des Vorstandes des Ärzteverbandes deutscher Allergologen, habe verschiedenen AWMF*-Leitlinien mitgeschrieben. Aktuell bin ich Mitglied der Leitlinienkommission „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“.

Bei der Landesärztekammer Brandenburg saß ich seit 1992 in der Prüfungskommission und war bis 2018 Leiterin der Prüfungskommission Allergologie.“

*AWMF: Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. ist der deutsche Dachverband von 182 Fachgesellschaften der Medizin

Forschung

Es gab zusammen mit dem LASV Forschungsprojekte zu Kindern und Jugendlichen mit Atopiesyndrom. Es ging um die Frage der Berufswahl. Wir hatten unter anderem eine Berufsberatungssprechstunde für Jugendliche etabliert.

Ich werde nun auch die Zeit haben, meine Forschungsergebnisse aufzuarbeiten und noch zu veröffentlichen.

Ich denke an „Stellenwert der adaptiven Desaktivierung mit Acetylsalicylsäure bei Patienten mit Samter-Trias in Zeiten von Biologikatherapien“ und „Superrush als Möglichkeit der Erfolgskontrolle nach Abschluss einer Spezifischen Immuntherapie mit Bienen- und Wespengift“ 

Auch interessante und knifflige Fallbeispiele möchte ich veröffentlichen. Dazu fehlte in den letzten Jahren die Zeit.

Vor welchen Herausforderungen steht die Allergologie?

„Es muss sich durchsetzen, dass die Atopie (allergische Erkrankungen mit einer Überempfindlichkeit auf ansonsten harmlose natürliche und künstliche Umweltstoffe) als Erkrankung des gesamten Körpers, als interdisziplinäres Fachgebiet begriffen wird! Denn:

Ein Großteil der Allergiker ist mit Leib und Seele Allergiker! Das heißt eben auch, dass neben körperlichen Symptomen die psychosomatische Komponente eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei Allergien spielen kann.“

Wie geht es weiter mit Ihrer Nachfolge im Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen?

„Ab 1.11.2021 wird unsere jetzige OÄ Heike Lehmann-Pötzsch die Leitung der stationären Allergologie übernehmen. Auch die Allergologische Ambulanz mit ca. 1.500 Ambulanzpatienten aus Brandenburg, Berlin und ganz Ostdeutschland, denn diese trägt enorm zu unserer Bekanntheit bei.“

Was haben Sie nun vor?

„Endlich Zeit für Spontanität ;)“