Etwa jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt, eine Zahl, die seit vielen Jahren konstant ist. Ohne dass es ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist, haben sich in den vergangenen Jahren die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten so wesentlich verbessert, dass inzwischen etwa 90 Prozent das Erwachsenenalter erreichen. Mittlerweile leben mehr Erwachsene als Kinder mit angeborenen Herzfehlern mit uns, 250.000 in Deutschland und einige hundert Menschen auch in Hamm.
EMAH – Erwachsene mit angeborenem Herzfehler sind meistens, aber nicht immer ihr Leben lang in ärztlicher Behandlung. Die immer engmaschigere Vorsorge deckt schon bei Kindern Herzfehler auf. „Die Therapie ist bei Kindern inzwischen so effektiv geworden und die Kinderkardiologie auch im operativen und interventionellen Bereich so erfolgreich, dass wir mit EMAH eine ganz neue Patientengruppe bekommen haben, die eine Generation zuvor das Erwachsenenalter gar nicht erreicht hätte“, sagt Prof. Dr. Klaus Pethig, Chefarzt an der kardiologischen Klinik der Johanniter-Kliniken Hamm. „Das heißt nicht, dass diese Erwachsenen nun alle leben, als sei nie etwas gewesen.“ Vielmehr benötigten die meisten weiterhin eine Betreuung, die um die genaue Vorgeschichte weiß: „Häufig bestehen Folgezustände nach den zum Teil komplexen Korrekturoperationen. Die Krankheitsbilder sind sehr individuell: teilweise leben Menschen mit nur einer einzelnen Herzkammer, müssen ihr Leben lang mit Rhythmusstörungen, Bluthochdruck im Lungenkreislauf oder Herzschwäche zurechtkommen. Sie fragen sich, ob sie einer normalen Berufstätigkeit nachgehen können und ob ihr Körper eine Schwangerschaft verkraften könnte“, zählt Prof. Pethig auf.
Seit 2008 leitet er zunächst am Evangelischen Krankenhaus und ab 2016 am St. Marien-Hospital Hamm (seit 2024 gemeinsam Johanniter-Kliniken Hamm) eine spezialisierte Ermächtigungsambulanz für Menschen mit angeborenen Herzfehlern. Hier wird die Langzeitbegleitung für mittlerweile etwa 500 Patientinnen und Patienten gewährleistet. „Mit der Volljährigkeit fallen die Menschen aus der Versorgung durch die Kinderkardiologien heraus“, so Prof. Pethig. Ein Hausarzt oder ein Kardiologe ohne Erfahrung und Spezialwissen kann die Betreuung der EMAH nicht im erforderlichen Umfang weiterführen. Die Deutschen Gesellschaften für Pädiatrische Kardiologie und für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie haben sich des Themas angenommen und die Zusatzqualifikation für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern entwickelt. Ein Netz aus Ambulanzen und Zentren stellt die flächendeckende Versorgung in Deutschland sicher.
„Durch unsere Kooperation mit dem EVK im Gesundheitsverbund erfolgt die Übergabe des jungen Erwachsenen von der Kinderklinik zu uns sehr reibungslos“, so Prof. Pethig. Er organisiert diese „Transition“ mit dem Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie und päd. Intensivmedizin der Johanniter-Kliniken Hamm am Standort Werler Str. Dr. Georg Selzer. „Hamm hat da sehr viel Fachkompetenz vor der eigenen Haustür, die nächsten größeren Zentren liegen in Münster, Bad Oeynhausen und Hannover“, so Prof. Pethig. Mit denen wird in engem Austausch zusammengearbeitet, denn die EMAH werfen immer neue Spezialfragen auf, über die man sich austauscht. „Wir können diesem Patientenkollektiv so Unterstützung und hochqualifizierte Ansprechpartner zur Verfügung stellen, die dabei helfen, diese kardiologische Erfolgsgeschichte weiter zu schreiben.“
Dabei nimmt Prof. Pethig sein gesamtes Team mit in die Verantwortung: „Die Erfahrungen mit EMAH habe nicht nur ich als Chefarzt, die zieht sich durch alle Berufe, mit denen die Patientinnen und Patienten hier in Kontakt kommen. Auch in der Facharztausbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen sorgen wir für Kontakt mit EMAH-Patienten, denn solche Krankheitsbilder sehen sie sonst nicht. Das Wissen über EMAH ist in der Erwachsenenkardiologie oft gering, der Bedarf daran steigt jedoch und das ist ein großer Erfolg!“