„Wie ein Stromschlag durch den Körper“
Autorin: Sigrid Blomen-Radermacher, Rheinische Post
Als André Clemens an einer seltenen Krebsart erkrankt, kann er die Diagnose nicht glauben. Er wird operiert, bekommt erst eine Chemotherapie, dann Bestrahlung. „Man kann es schaffen“, sagt der 46-Jährige und will damit anderen Betroffenen Mut machen.
Mit dem Satz „Bleiben Sie gesund“, verabschiedet sich André Clemens gut gelaunt von uns in der Café-Bar des Krankenhauses Bethesda an der Ludwig-Weber-Straße. Ein Wunsch, der kaum erwähnenswert ist, wäre es nicht eigentlich vor allem Clemens selbst, dem er zustünde. Denn bei dem 46-Jährigen wurde im vergangenen Herbst die Diagnose Lymphdrüsenkrebs gestellt. Nach Operation, Chemo- und Strahlentherapie kämpfte sich Clemens mit Gelassenheit, einem starken Willen, guter ärztlicher Betreuung und der Unterstützung seiner Familie in seinen Alltag zurück. „Heute fühle ich mich, als hätte ich nichts“, sagt Clemens, „außer, dass ich nicht allein gehen kann.“ Aber auch das macht sichtbar Fortschritte: Vor einer Woche noch musste er den Rollstuhl benutzen, heute kommt er mit dem Rollator zu unserem Treffen. Rückenschmerzen waren es zunächst, die der Vorarbeiter einer Gebäudereinigung im Sommer 2023 hatte. Möglicherweise ein Bandscheibenvorfall, so sein Hausarzt. Kurz danach war es, „als führte ein Stromschlag durch meinen Körper“ – und Clemens konnte nicht mehr gehen. Der Orthopäde, den er aufsuchte, schickte ihn mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall in die Kliniken Maria Hilf: „Dort haben sie mich komplett untersucht.“ Dann stand die Diagnose fest: Clemens hatte Tumore an der Wirbelsäule, die sofort operativ in den Krefelder Helioskliniken entfernt wurden. In nur zwei Wochen vom scheinbar gesunden zum krebskranken Mann: Diese Diagnose konnte Clemens erst nichtrealisieren. „Ich hatte mehr Angst vor der OP als vor dem Krebs“, sagte er. Auch heute noch belastet es ihn stärker, dass er nicht mehr so aktiv sein kann wie früher, als es die eigentliche Erkrankung tut. Aber Clemens hatte immer ein Ziel vor Augen: wieder aktiv sein zu können. „Ich hänge am Leben“, stellt er fest, „man muss kämpfen.“ „Ich hab nicht allein meinen Senf dazugegeben, um gesund zu werden, das war vor allem die Hilfe der Ärzte“, sagt er. Und die gute Betreuung durch die Pflegekräfte. Nach der Notoperation suchte er das Bethesda auf, um sich weiterbehandeln zu lassen. Dort wurde er erneut untersucht und die Diagnose revidiert: Lymphdrüsenkrebs. „Das Wachstum ist infiltrierend, so dass man keinen Schmerz dabei empfindet“, erklärt Christoph Sippel, Chefarzt und Onkologe, die späte Diagnose und fügt hinzu: „Eine ‚Vorsorge‘ für Lymphome gibt es nicht.“ Clemens erhielt eine Chemotherapie, der sich nun die Strahlentherapie anschließt. Es ist nicht so, als hätte er nur gute Tage gehabt. Seine erzwungene Inaktivität war das Schlimmste. Und dass es so „langsam“ voranging. „Da hab ich auch schon mal an Selbstmord gedacht.“ Die Psychoonkologin des Krankenhauses, Sabine Konrad, bot ihm Gespräche an. Über seine Lage und seine Stimmungen zu reden und Strategien entwickeln zu können, die Langeweile, wie er es nannte, ein wenig zu überwinden, half schon. Mit der Presse über seine Erkrankung und die Behandlung so offen zu reden, das soll anderen Krebspatienten helfen. „Ich möchte zeigen, dass man es schaffen kann“, so sein Wunsch. Seine Mitpatienten auf der onkologischen Station hat er immer versucht, aufzubauen. Hat sie bestärkt, weiterzukämpfen, denn: „Es lohnt sich.“ Das hat ihm Mut gemacht. Alleine dadurch, dass er sich so gut erholte – was viele erstaunte, von den Ärzten über die Pflegekräfte bis hin zur Physiotherapeutin. Mittlerweile lebt Clemens wieder in seiner eigenen Wohnung und kann es nicht lassen, Fenster zu putzen, Wände zu streichen –auch wenn er noch wacklig auf den Beinen ist. Und wenn er etwas nicht schafft, dann fällt ihm eine Lösung ein. Und wenn die Therapie bald beendet sein wird, was dann? „Erst einmal ausruhen“, sagt Clemens. Und dann so schnell wie möglich wieder arbeiten gehen.“