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ZIEL - Erfolgsgeschichten

Medizin statt Technik

Nach seiner Flucht nach Deutschland musste sich der heute 28 Jahre alte Moumen auch beruflich vollkommen neu orientieren. In Syrien hatte er eigentlich Ingenieurwesen für Kommunikation und Netzwerke studiert. 2013 begann für ihn der lange Weg der Flucht über die Türkei, bis er schließlich 2016 in Deutschland angekommen war. Nach seinem Deutschkurs war er in einem Minijob als Lagerist tätig, was er sich allerdings nicht als dauerhafte Tätigkeit vorstellen konnte. Auch hatte er auf der Flucht so viel menschliches Leid erlebt, sodass er seine Berufswahl Technik nochmals überdach hat. Nach längeren Überlegungen kam der Wunsch nach einem Medizinstudium auf, was aber in seiner Situation nicht unmittelbar zu verwirklichen war. Also ließ sich Moumen erst einmal auf die kleine Lösung, der Qualifizierung zum Rettungssanitäter, ein.

Immerhin - Moumen ist ein hoffnungsfroher Mensch - gibt es ja auch hier Wege, sich weiter zu qualifizieren und vielleicht kommt das angestrebte Ziel ja dann doch noch näher. Bis dahin ist Moumen allerdings mit der bisher erreichten Lösung zufrieden und will sich erst einmal ein intaktes häusliches und berufliches und persönliches Umfeld schaffen.

"Ich habe mir meinen Traum erfüllt"

Najma stammt aus Somalia. 2012 kam sie im Alter von 15 Jahren nach Deutschland. Nachdem Sie die ersten Deutschkurse erfolgreich gemeistert hatte, erarbeitet sie sich 2017 den deutschen Mittelschulabschluss. Ihr Wunsch war es, eine Ausbildung zur Arzthelferin zu machen. Dann jedoch ein Rückschlag, von dem Sie noch heute bestürzt berichtet: Der sicher geglaubte Ausbildungsplatz wurde ihr von der zuständigen Ärztin verwehrt, da Najma sich weigerte, im Dienst ihr Kopftuch abzulegen. Für die Somalierin kam dies einfach nicht infrage, schließlich gehört das Kopftuch zu ihrer tief verwurzelten kulturellen Identität: „Ich trage das Kopftuch nicht, weil ich von irgendjemandem dazu gezwungen werde. Ich würde mich freuen, wenn man mich so akzeptieren würde, wie ich bin und aufhören würde, mir mit Vorurteilen zu begegnen“, so die selbstbewusste junge Frau in fließendem, fast akzentfreiem Deutsch. Enttäuscht von dieser Erfahrung nahm sie dann erst einmal einen Job bei einem großen Online-Händler in der Qualitätsprüfung an, doch ihr Wunsch, eines Tages in einem Gesundheitsberuf tätig zu werden, gab sie nicht auf. Als ihr ein Ausbildungsplatz für Sozialpflege in Memmingen angeboten wurde, war sie zunächst überglücklich, jedoch auch dieser Weg sollte nicht zu dem ihren werden: „Täglich pendelte ich von München nach Memmingen, immer in der Hoffnung, bald eine kleine Wohnung oder zumindest ein Zimmer in einer WG oder in einem Studentenwohnheim zu finden – leider vergebens. Nach vier Monaten gab ich erschöpft auf. Nach diesem erneuten Rückschlag war ich kurz davor, meinen Traum von einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheitsbereich aufzugeben. Doch dann wurde ich auf das ZIEL-Programm der Johanniter in München aufmerksam und mein Jobcenter war bereit, mich bei meinem Vorhaben, Rettungssanitäterin werden zu wollen, zu unterstützen.“ Nun, nachdem sie ihren Abschluss geschafft hat, ist sie überglücklich: „In diesem Beruf kann ich Menschen, die in einer gesundheitlichen Notlage sind, viel unmittelbarer helfen, als ich dies als Arzthelferin hätte tun können. Und sogar mein Kopftuch darf ich im Dienst tragen, denn hier kommt es nicht auf mein Äußeres an, sondern auf meine berufliche Kompetenz. Ich habe mir meinen Traum erfüllt. Ich kann meinen ersten Arbeitstag gar nicht abwarten. Vielen Dank an das ZIEL-Team!“

Sieben ZIEL-Rettungssanitäter (m/w/d) auf ihrem Weg ins Berufsleben

Am 10. September 2021 endete erneut eine Rettungssanitäter-Abschlussklasse des ZIEL-Programms erfolgreich: Die Kurs- und Projektleitung konnte sieben frischgebackenen Rettungssanitätern (m/w/d) ihre Zeugnisse und Zertifikate überreichen. Der für die Prüfungsabnahme verantwortliche Arzt äußerte sich sehr positiv über die Leistungen der Absolventen (m/w/d). Entsprechend stolz und erleichtert darüber, die schwierige Prüfungszeit erfolgreich gemeistert zu haben, blicken die Absolventen (m/w/d) nun optimistisch in ihre berufliche Zukunft. Und dies berechtigterweise: Rettungssanitäter (m/w/d) werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt dringend gesucht, sei es nun für Tätigkeiten im Krankentransport, im Rettungsdienst oder in Krankenhäusern. Dementsprechend zuversichtlich äußerte sich auch der Projektleiter des ZIEL-Programms, Sascha Migge: „Wir gehen davon aus, dass alle sieben Absolventen und Absolventinnen innerhalb kürzester Zeit ein festes Beschäftigungsverhältnis angeboten bekommen. Erste Bewerbungen stießen schon auf großes Interesse, nicht nur bei den Johannitern. Auf Wunsch unterstützen unsere pädagogischen Fachkräfte die Absolventen und Absolventinnen bei diesem Vermittlungsprozess tatkräftig. Das Ziel von ZIEL ist es, dass alle Absolventen und Absolventinnen zeitnah ein nachhaltiges Beschäftigungsverhältnis eingehen und in eine spannende berufliche Zukunft blicken können.“

Der Weg zur Rettungssanitäterin

Athina stammt aus Kastoria aus dem Nordwesten Griechenlands. Dort hat sie den Abschluss als Erziehungsassistentin für Kinder und Säuglinge gemacht. Die Arbeit mit Menschen stand also schon immer im Mittelpunkt ihres Interesses. Vor etwa 8 Jahren ist sie nach Deutschland gekommen. Hier lernte sie die deutsche Sprache und wollte sich beruflich neu orientieren. Nach einem Praktikum im Rettungswesen wusste sie sofort: „Das ist mein Beruf!“ Das Arbeitsfeld ist abwechslungsreich und der Einsatz an verschiedenen Orten ist interessant. Der Beruf fordert Gewissenhaftigkeit, Ernsthaftigkeit und Empathie von ihr. Das passt gut. In der Ausbildung fand sie die Arbeit an den Fallbeispielen besonders interessant. Besonders gefallen hat Athina das Lehrpersonal, welches sehr engagiert war. Auf die Frage, ob sie diese Entscheidung nochmals treffen würde, kommt die spontane Antwort: „Ja, ohne Diskussion, das war die richtige Entscheidung für mich.“

Qualifizierung für Muttersprachler und Menschen mit sehr guten Deutschkenntnissen

Bis vor kurzem war es für Muttersprachler oder Bürger mit sehr guten Deutschkenntnissen in München nicht möglich, mithilfe einer arbeitsmarktpolitischen Förderung durch Jobcenter oder Arbeitsagenturen Rettungssanitäter (m/w/d) zu werden – und das trotz chronischem Fachkräftemangels im Rettungsdienst und der Motivation vieler Arbeitssuchender, diesen beruflichen Weg einschlagen zu wollen. Für eine entsprechende Förderung fehlte es schlichtweg an einer sogenannten AZAV-konformen Zertifizierung der Rettungssanitäterausbildung. Um diesem Defizit endlich etwas entgegenzusetzen, entwickelte das ZIEL-Team auf Anregung der Arbeitsagentur und des Jobcenters München eine entsprechend förderfähige Qualifizierungsmaßnahme mit dem Namen RSF  (Rettungssanitäter mit Fachsprachenförderung).

Die ersten Teilnehmer, die sich seit März 2021 auf dieses spannende Projekt einlassen, sind Menschen mit den verschiedensten beruflichen Vorerfahrungen. Einige von ihnen brachten schon erste Kenntnisse aus nichtmedizinischen Gesundheitsberufen
mit und sind nun bestrebt, sich für höhere Tätigkeiten im Gesundheitswesen zu qualifizieren. Andere wagen mit der Qualifizierung zum Rettungssanitäter mutig einen beruflichen Neuanfang. So unterschiedlich die bisherigen Werdegänge der Teilnehmer
auch sind, eines steht bei allen aber im Vordergrund ihrer Motivation: Die aufrichtige Neigung zu Berufen mit helfendem Charakter, bei denen der Mensch im Zentrum steht. Wir sind daher hoch erfreut, dass die ersten 10 Teilnehmer mit dem Bestehen der
Zwischenprüfung zum Rettungsdiensthelfer (m/w/d) die erste große Hürde auf ihrem Weg zur Rettungssanitäterqualifikation mit Erfolg gemeistert haben und nun ihre Praktika auf diversen Rettungswachen und in verschiedenen Krankenhäusern antreten werden. Gerade in Zeiten der Pandemie und des chronischen Arbeitskräftemangels in den Gesundheitsberufen ist die Arbeit und das Engagement dieser motivierten, mutigen Menschen von nicht zu unterschätzender gesellschaftlicher Bedeutung.

Dieser Erfolg hat uns darin bestärkt, schnellstmöglich einen RSF-Folgekurs anbieten zu wollen. Bewerbungen werden ab sofort und laufend entgegengenommen (per Telefon 089 124 139 120).

Qualifikation und langfristige Perspektive

In seinem Geburtsland Togo war Awali Halfa Toga als Dreher und Klimatechniker tätig. Seit Mitte November 2018 engagiert er sich nun für Hausnotruf-Kunden der Johanniter als Mitarbeiter im Hausnotruf-Einsatzdienst. Dazwischen lagen 13 Jahre als Gebäudereiniger, der Nachzug seiner Familie aus der Stadt Sokodé, eine längere Arbeitslosigkeit und dann das Johanniter-Projekt ZIEL (Zugänge ins Erwerbsleben), durch das sich Halfa Toga weiter qualifizieren konnte und auf das letztlich eine Anstellung im Regionalverband München folgte.

„Sowohl von den Kollegen wie auch von den Kunden wurde ich freundlich aufgenommen. Häufig interessieren sich die Kunden dafür, woher ich komme – und dankbar für die Hilfe sind sie fast alle,“ erzählt er mit tiefer Stimme.

Gute qualifiziert im Einsatz in Corona-Teststationen

Asad und Mothanna kommen aus Syrien. Asad ist seit 2015 in Deutschland, Mothanna seit 2016. Im Juli 2019 haben sie mit der Qualifizierung zum Ersthelfer bei uns begonnen und dieses Jahr die Qualifizierung zum Rettungssanitäter erfolgreich absolviert.

Zurzeit arbeiten sie in Vollzeit in einer Corona-Teststation der Johanniter. Asad berichtet: "Wir mussten viel lernen, aber ich habe Verschiedenes benutzt, was mir dabei helfen konnte. Als ich mein Praktikum im Rettungsdienst machte, wurde mir ganz klar, dass ich diesen Beruf ausüben möchte. Mothanna erklärt: Die Qualifizierung hat uns die Bereitschaft zum Lernen, Fragen zu stellen und zu beobachten abverlangt, aber dank ihr habe ich meinen beruflichen Weg gefunden. Das war sehr gut für mich."

Für beide ist die Teststation nur eine Zwischenstation. Beide möchten bald im Rettungsdienst und Krankentransport eingesetzt werden. Dort wollen sie neue Erfahrungen sammeln, um in Zukunft das nächste Ziel zu erreichen: die Ausbildung zum Notfallsanitäter.